Michele Cyranka und Steffen Lipski "Mein Augenhimmel" Zeichnung/Radierung/Fotografie
01.03.2018 — 07.04.2018
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Beseelung und Hingabe sind zwei Worte mit denen man die Ausstellung mit Radierungen, Zeichnungen und Fotografien von Michele Cyranka und Steffen Lipski beschreiben könnte, der sie den poetischen Titel „Mein Augenhimmel“ gaben. Beide äußerten sich mir gegenüber, dass der Wortklang das Universum allumfassender Poesie beinhalte, welches auch ihre Arbeiten präge.
Es scheint in der Präsentation alles zusammengefasst zu sein, was Michele Cyranka (Jg. 1964) und Steffen Lipski (Jg. 1961) bildkünstlerisch ausmachen, ihre Sehnsucht nach Harmonie, nach Geborgenheit, nach Orten, an denen man so sein darf, wie man ist, nach Orten, an denen das Maskentragen nicht notwendig erscheint, an denen man werden darf, der man ist. Man findet sich als Betrachter in einer Welt wieder, die nicht bedrängt.
„Nichts ist schwerer, als einen Gegenstand der Betrachtung zu einem Gegenstand der Empfindung zu machen.“, sagte mir Michele Cyranka in Abwandlung einer Feststellung von Jean Paul.
Es ist eine so wunderbar stille Ausstellung, in die man eintauchen darf, die das Leben mit poetischem Nachklang beschreibt. Steffen Lipski wendet sich in seinen Fotografien des Waldes und von Strukturen der Melancholie der Endlichkeit zu und Michele Cyranka feiert voller Empathie das Leben auf ihren Radierungen. Es begegnen sich der weibliche und der männliche Blick.
Michele Cyranka ist der Wandlungsfähigkeit von Linien verfallen, die sie der Radierplatte anvertraut. Es sind ihre eigenen, geheimnisvollen, verschlungenen Lebenslinien, die nichts eindeutig preisgeben, sondern etwas sichtbar machen. Sie lauscht nach innen und sinnt nahezu andächtig über das nach, was sie erlebt und erträumt und findet faszinierende Gleichnisse. Die Formen, auf das Wesentliche reduziert, besitzen einen inneren Klang, der stark fühlende Menschen erreicht wie ein Atmen. Michele Cyranka ist nicht nur sensibel, sie ist sehr empfindsam, lässt Schwingungen zu und schwingt mit. Schwingung heißt, in die Vertrautheit gleiten, aber auch wieder in die Fremdheit. Das Wechselspiel von Nähe und Distanz ist vergleichbar mit der Zärtlichkeit von Liebe und ihrer Abwehr. Sie ist davon überzeugt, dass Liebe die größte Triebkraft im Leben ist: zu lieben und geliebt zu werden. Alles hat seine Zeit und unterliegt rhythmischer Verwandlung. Linien tauchen auf und verlöschen, ahnbar noch um sich wiederzufinden in kleinen Geschichten glücklicher Lebensaugenblicke. Was sie interessiert ist das feingespinstige Beziehungsgehäkel zwischen den Menschen und das Dazwischen ist es auch, was den Reiz der Arbeiten ausmacht und das Drumherum. Es geht um Abschied und ein Wiedersehen, um Freude, die das Leben lebenswert macht, um Begegnungen, um ein aufmerksames Beobachten der Welt, um Stimmungen und die Flüchtigkeit des Augenblicks, um Zeit, die unwiederbringlich vergeht, um Tanz. Der eigenen Phantasie des Betrachters sind keine Grenzen gesetzt. Die Künstlerin setzt auch keine Grenzen. Alles ist offen, wie das Leben selbst. Befreit vom Draußen und doch gefangen im Innen kann sie frei durchatmen, mit dem Griffel in der Hand, um den Widerstand der Platte etwas zu entgegnen. Kennt man das innere Leben der Linien, dann vermag man dies mit eigener Selbstentdeckung zu feiern. Dann nimmt die Lust an jeder gelungenen Metamorphose zu und es entstehen mit jeder Veränderung neue Zusammenhänge, die ein Zugewinn an Erkenntnis bedeutet. Sichtbar zu machen, was allgemeinhin nicht sichtbar ist, weitet den Alltag und macht ihn auch erträglicher, davon ist Michele Cyranka überzeugt, auch davon, dass es notwendig ist, sich nicht zu verlieren und dass man sich den Zwängen von Erwartungshaltungen nicht unterwerfen darf, um die innere Freiheit zu behalten. Oftmals ist es Literatur, die zu ihr spricht, vor allem die Lyrik von Ute Leukert. Michele Cyranka hofft auf alles und auf nichts und findet Sicherheit in der Verortung von tanzenden Linien, deren Raum- und Flächenerfahrung zu einem überraschenden Bild wachsen, zu einer Wirklichkeit, die uns beschwingt und mit sich reißt. Eine Grafikedition begleitet die Ausstellung in einer Auflage von 20 Exemplaren, wie kann es anders sein, zu einem Gedicht von Ute Leukert:
„Sommer“
Vor dem Himmelauge
Lockt mein Augenhimmel
Einen Suchtsucher an.
Getrieben geben wir uns hin,
Du roh, ich süß
Von Grün ins Rot
Ein Himbeersonnenland.
Das macht nimmersatt.
Steffen Lipski ist in gewissem Sinne bekennender Romantiker in einer Zeit, in der alles nach Entschleunigung lechzt. Er folgt der Forderung Caspar David Friedrichs, der da meinte: „Schließe den leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest ein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, daß es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ Man spürt eine stille Andacht angesichts der fotoarbeiten von Steffen Lipski, der mit der Erde verwurzelt ist und doch seine Sehnsucht in den Himmel treiben lässt. Zwischen Himmel und Erde gibt es so manche Dinge, die man nicht hören, nicht riechen und nicht schmecken kann, davon ist er überzeugt und diese Offenheit weitet auch seine Fotoarbeiten. Wenn er den Wald fotografiert, so ist es nicht das Abbildes Waldes, sondern er versucht, den Augenblick, das Wandelbare von Licht und Schatten im Bild festzuhalten.
Er hat den Mut sich mit dem bekannten Unbekannten zu beschäftigen. Die Angst vor der Tatsache der Entfremdung von den Ursprüngen, eingebunden in alltägliche Zwänge und Bedrängnisse, die Angst sich zu verlieren oder bereits verloren zu haben, ist spürbar. Es sind Sehnsuchtsorte, die er bannt. Steffen Lipski fotografiert die Suche nach der verborgenen oder sogar schon verlorenen Heimat. Er entwirft stille Bilder, lautlos, wie in Trance, wie in einem schwebenden zustand gehalten. Es ist eine Zwischenwelt, die uns lockt, den nebulösen Fata Morganen zu folgen, um uns neu zu entdecken.
Er hat die Tages- und Jahreszeiten demzufolge in sich aufgesogen – Wärme und Kälte, die verwirrenden Spiele des Sonnenlichts erlebt – von sengender Glut bis hin zu einem matten Abglanz – nasskalten Nieselregen, die mannigfaltig schön gebrochenen Farben von Bäumen, die Spiegelungen im Wasser und dabei das langsame, unaufhaltsam fortschreitende sich Verwandeln studiert. Und er hat gespürt, dass die Veränderungen in der Natur auch mit wechselnden psychischen Stimmungslagen der menschlichen Seele gleichzusetzen sind.
In der Natur kann man ein Gefühl der Ermutigung erfahren, ein Gefühl innerer Klarheit und Ruhe finden, aber auch in Melancholie schwelgen. Die Arbeiten des Künstlers haben darüber hinaus nichts Beschönigendes einer verklärenden Naturseligkeit an sich. Sie verraten eine sensible Beobachtungsgabe der Phänomene und geben einfühlsam atmosphärische Erscheinungen wieder, wobei sich Ursprünglichkeit mit der Widerspiegelung innerer Visionen verbindet und im Ausschnitt mit der künstlerischen Gabe, zu abstrahieren.
Steffen Lipski ist dem Leben auf der Spur, sieht den Augenblick, erkennt die inneren Strukturen, folgt dem Geheimnis, lässt sich einfangen von entdeckten, ja erlebten Formen, die so anders daherkommen im Ausschnitt als der traditionelle Blick es erlaubt und zeigt auf originäre Weise, dass ein verinnerlichtes Naturerlebnis als Thema der Gegenwartskunst immer noch Gültigkeit hat. Seine Fotoarbeiten besitzen durchaus malerische Akzente in der inneren Farbigkeit der Grauabstufungen.
Karin Weber
Lesung mit der Schauspielerin Hannelore Koch am Sonntag, 18.03.2018 um 19.30 Uhr
Beseelung und Hingabe sind zwei Worte mit denen man die Ausstellung mit Radierungen, Zeichnungen und Fotografien von Michele Cyranka und Steffen Lipski beschreiben könnte, der sie den poetischen Titel „Mein Augenhimmel“ gaben. Beide äußerten sich mir gegenüber, dass der Wortklang das Universum allumfassender Poesie beinhalte, welches auch ihre Arbeiten präge.
Es scheint in der Präsentation alles zusammengefasst zu sein, was Michele Cyranka (Jg. 1964) und Steffen Lipski (Jg. 1961) bildkünstlerisch ausmachen, ihre Sehnsucht nach Harmonie, nach Geborgenheit, nach Orten, an denen man so sein darf, wie man ist, nach Orten, an denen das Maskentragen nicht notwendig erscheint, an denen man werden darf, der man ist. Man findet sich als Betrachter in einer Welt wieder, die nicht bedrängt.
„Nichts ist schwerer, als einen Gegenstand der Betrachtung zu einem Gegenstand der Empfindung zu machen.“, sagte mir Michele Cyranka in Abwandlung einer Feststellung von Jean Paul.
Es ist eine so wunderbar stille Ausstellung, in die man eintauchen darf, die das Leben mit poetischem Nachklang beschreibt. Steffen Lipski wendet sich in seinen Fotografien des Waldes und von Strukturen der Melancholie der Endlichkeit zu und Michele Cyranka feiert voller Empathie das Leben auf ihren Radierungen. Es begegnen sich der weibliche und der männliche Blick.
Michele Cyranka ist der Wandlungsfähigkeit von Linien verfallen, die sie der Radierplatte anvertraut. Es sind ihre eigenen, geheimnisvollen, verschlungenen Lebenslinien, die nichts eindeutig preisgeben, sondern etwas sichtbar machen. Sie lauscht nach innen und sinnt nahezu andächtig über das nach, was sie erlebt und erträumt und findet faszinierende Gleichnisse. Die Formen, auf das Wesentliche reduziert, besitzen einen inneren Klang, der stark fühlende Menschen erreicht wie ein Atmen. Michele Cyranka ist nicht nur sensibel, sie ist sehr empfindsam, lässt Schwingungen zu und schwingt mit. Schwingung heißt, in die Vertrautheit gleiten, aber auch wieder in die Fremdheit. Das Wechselspiel von Nähe und Distanz ist vergleichbar mit der Zärtlichkeit von Liebe und ihrer Abwehr. Sie ist davon überzeugt, dass Liebe die größte Triebkraft im Leben ist: zu lieben und geliebt zu werden. Alles hat seine Zeit und unterliegt rhythmischer Verwandlung. Linien tauchen auf und verlöschen, ahnbar noch um sich wiederzufinden in kleinen Geschichten glücklicher Lebensaugenblicke. Was sie interessiert ist das feingespinstige Beziehungsgehäkel zwischen den Menschen und das Dazwischen ist es auch, was den Reiz der Arbeiten ausmacht und das Drumherum. Es geht um Abschied und ein Wiedersehen, um Freude, die das Leben lebenswert macht, um Begegnungen, um ein aufmerksames Beobachten der Welt, um Stimmungen und die Flüchtigkeit des Augenblicks, um Zeit, die unwiederbringlich vergeht, um Tanz. Der eigenen Phantasie des Betrachters sind keine Grenzen gesetzt. Die Künstlerin setzt auch keine Grenzen. Alles ist offen, wie das Leben selbst. Befreit vom Draußen und doch gefangen im Innen kann sie frei durchatmen, mit dem Griffel in der Hand, um den Widerstand der Platte etwas zu entgegnen. Kennt man das innere Leben der Linien, dann vermag man dies mit eigener Selbstentdeckung zu feiern. Dann nimmt die Lust an jeder gelungenen Metamorphose zu und es entstehen mit jeder Veränderung neue Zusammenhänge, die ein Zugewinn an Erkenntnis bedeutet. Sichtbar zu machen, was allgemeinhin nicht sichtbar ist, weitet den Alltag und macht ihn auch erträglicher, davon ist Michele Cyranka überzeugt, auch davon, dass es notwendig ist, sich nicht zu verlieren und dass man sich den Zwängen von Erwartungshaltungen nicht unterwerfen darf, um die innere Freiheit zu behalten. Oftmals ist es Literatur, die zu ihr spricht, vor allem die Lyrik von Ute Leukert. Michele Cyranka hofft auf alles und auf nichts und findet Sicherheit in der Verortung von tanzenden Linien, deren Raum- und Flächenerfahrung zu einem überraschenden Bild wachsen, zu einer Wirklichkeit, die uns beschwingt und mit sich reißt. Eine Grafikedition begleitet die Ausstellung in einer Auflage von 20 Exemplaren, wie kann es anders sein, zu einem Gedicht von Ute Leukert:
„Sommer“
Vor dem Himmelauge
Lockt mein Augenhimmel
Einen Suchtsucher an.
Getrieben geben wir uns hin,
Du roh, ich süß
Von Grün ins Rot
Ein Himbeersonnenland.
Das macht nimmersatt.
Steffen Lipski ist in gewissem Sinne bekennender Romantiker in einer Zeit, in der alles nach Entschleunigung lechzt. Er folgt der Forderung Caspar David Friedrichs, der da meinte: „Schließe den leibliches Auge, damit du mit dem geistigen Auge zuerst siehest ein Bild. Dann fördere zutage, was du im Dunkeln gesehen, daß es zurückwirke auf andere von außen nach innen.“ Man spürt eine stille Andacht angesichts der fotoarbeiten von Steffen Lipski, der mit der Erde verwurzelt ist und doch seine Sehnsucht in den Himmel treiben lässt. Zwischen Himmel und Erde gibt es so manche Dinge, die man nicht hören, nicht riechen und nicht schmecken kann, davon ist er überzeugt und diese Offenheit weitet auch seine Fotoarbeiten. Wenn er den Wald fotografiert, so ist es nicht das Abbildes Waldes, sondern er versucht, den Augenblick, das Wandelbare von Licht und Schatten im Bild festzuhalten.
Er hat den Mut sich mit dem bekannten Unbekannten zu beschäftigen. Die Angst vor der Tatsache der Entfremdung von den Ursprüngen, eingebunden in alltägliche Zwänge und Bedrängnisse, die Angst sich zu verlieren oder bereits verloren zu haben, ist spürbar. Es sind Sehnsuchtsorte, die er bannt. Steffen Lipski fotografiert die Suche nach der verborgenen oder sogar schon verlorenen Heimat. Er entwirft stille Bilder, lautlos, wie in Trance, wie in einem schwebenden zustand gehalten. Es ist eine Zwischenwelt, die uns lockt, den nebulösen Fata Morganen zu folgen, um uns neu zu entdecken.
Er hat die Tages- und Jahreszeiten demzufolge in sich aufgesogen – Wärme und Kälte, die verwirrenden Spiele des Sonnenlichts erlebt – von sengender Glut bis hin zu einem matten Abglanz – nasskalten Nieselregen, die mannigfaltig schön gebrochenen Farben von Bäumen, die Spiegelungen im Wasser und dabei das langsame, unaufhaltsam fortschreitende sich Verwandeln studiert. Und er hat gespürt, dass die Veränderungen in der Natur auch mit wechselnden psychischen Stimmungslagen der menschlichen Seele gleichzusetzen sind.
In der Natur kann man ein Gefühl der Ermutigung erfahren, ein Gefühl innerer Klarheit und Ruhe finden, aber auch in Melancholie schwelgen. Die Arbeiten des Künstlers haben darüber hinaus nichts Beschönigendes einer verklärenden Naturseligkeit an sich. Sie verraten eine sensible Beobachtungsgabe der Phänomene und geben einfühlsam atmosphärische Erscheinungen wieder, wobei sich Ursprünglichkeit mit der Widerspiegelung innerer Visionen verbindet und im Ausschnitt mit der künstlerischen Gabe, zu abstrahieren.
Steffen Lipski ist dem Leben auf der Spur, sieht den Augenblick, erkennt die inneren Strukturen, folgt dem Geheimnis, lässt sich einfangen von entdeckten, ja erlebten Formen, die so anders daherkommen im Ausschnitt als der traditionelle Blick es erlaubt und zeigt auf originäre Weise, dass ein verinnerlichtes Naturerlebnis als Thema der Gegenwartskunst immer noch Gültigkeit hat. Seine Fotoarbeiten besitzen durchaus malerische Akzente in der inneren Farbigkeit der Grauabstufungen.
Karin Weber
Lesung mit der Schauspielerin Hannelore Koch am Sonntag, 18.03.2018 um 19.30 Uhr
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