
3/2019
An der TU Dresden tragen viele Forschungseinheiten und Wissenschaftler*innen aus Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften führend zur Entwicklung von Technologien im Bereich Künstliche Intelligenz (#KI) und Mensch-Maschine-Interaktion bei. Mehrere Exzellenzcluster befassen sich mit den Herausforderungen gegenwärtiger und zukünftiger technischer und sozialer Szenarien. Unter anderem hat die TU Dresden im Februar 2019 zusammen mit der Fraunhofer Gesellschaft das Dresdner Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, das „Center for Explainable and Efficient AI Technologies“ (CEE AI), gegründet. Das „Centre for Tactile Internet with Human-in-the-Loop“ (CeTI*) forscht bereits seit längerer Zeit zu verschiedenen Aspekten des taktilen Internets und dessen Kontaktzonen mit dem Menschen, der als „in-the-loop“ im Sinn eines Akteursclusters zentraler Teil dieser Untersuchungen ist. Mit dem SCHAUFLER LAB wird ab 2020 ein Graduiertenkolleg und eine Artist-in-Residency an der Kustodie eingerichtet, die sich aus geisteswissenschaftlicher und künstlerischer Warte mit den Implikationen dieser Transformationen auseinandersetzen.
In dem Bewusstsein, dass künstlerische Strategien das Verständnis von Umwelt wesentlich bedingen, Prozesse und Transformationen gerade auch ästhetisch und multidisziplinär erfahr- und beschreibbar werden, entwickelt die Kustodie der TU Dresden die Schnittstellen (oder Interfaces) von künstlerischer, naturwissenschaftlicher, ingenieurwissenschaftlicher und nicht zuletzt geisteswissenschaftlicher Forschung kontinuierlich in einem dritten Raum der Verhandlungen weiter. Die Art Science Labs »DEAR HUMANS, … «, 2018 ins Leben gerufen, haben sich als Ort transdisziplinärer Forschungskooperationen etabliert, um Herausforderungen „neuer“ Technologien und gesellschaftliche Fragen an Zukunftsszenarios in verschiedenen Formaten im engen Austausch von künstlerischer und wissenschaftlicher Praxis zu untersuchen. Einem konsequent spekulativen Ansatz folgend, untersuchen sie produktiv und reflexiv, welche Werkzeuge und Strategien künstlerischer Verfahren und differenzierender interdisziplinärer Lösungsansätze in die Forschung an den Technologien der Zukunft eingebracht werden müssen. Im ART SCIENCE LAB II im März 2019 ging es um die produktiven Wechselwirkungen von KI und dem Übersinnlichen und wie die Präsenz der Apparaturen die Wahrnehmung von Welt verändern. Unter anderem analysierte die Residenz-Künstlerin Alice Peragine in ihrer performativen Versuchsanordnung DETECT AND AVOID technomediale Infrastrukturierungen in denen sich Verbindungen zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteur*innen verfestigen und auflösen.
Im Rahmen des ART SCIENCE LABS III zeigt die Kustodie mit der Ausstellung COSMIC DOWNLOAD noch bis Anfang Juli eine Auswahl von filmischen Arbeiten und Installationen der Künstlerin TABITA REZAIRE an zwei Standorten in Dresden. Während die Altana Galerie im Görges-Bau der TU Dresden einen Überblick über die künstlerische Position gibt, führte Schimmel Projects – Art Centre Dresden im Mai die raumgreifende Videoarbeit DEEP DOWN TIDAL (2017) auf. Wie gegenwärtig in verschiedensten Forschungsdisziplinen wieder zunehmend der Fall, beschränkt sich Tabita Rezaire nicht auf rationale Prinzipien als Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisgewinnung und Theoriebildung. Um der Komplexität gegenwärtiger und zukünftiger Wissenszusammenhänge in hyperindividualisierten und gleichzeitig global vernetzten Gesellschaften zu begegnen, widmet sie sich so unterschiedlichen Phänomenen wie affektiven Strukturen, verkörperten Wissensformen und animistischem Denken. Ihre Kunst ist als radikale Annäherung dieser Perspektiven zu verstehen und dient als Vorlage für eine multidimensionale Betrachtung aktueller Transformationsdynamiken im Kontext fortgeschrittener Digitalisierung. In ihren Filmen und Installationen wählt sie keinen dokumentarischen Zugriff, sondern entführt poetisch-spekulativ in computergenerierte bewegte Welten, die – teils schrill und bunt – ikonische Bilder zwischen Zukunftsvision und Herkunftserzählung kontrastieren und wiederaufführen. Besonders relevant vor dem lokalen Kontext scheint die Arbeit PEACEFUL WARRIOR (2015), die Rezaire als „dekolonisierendes, predigendes Tutorial zur Selbsthilfe“ verstanden sehen möchte, „das People of Color (POC) dazu anregen soll, sich mit ihrer Geschichte, dem traditionellen Wissen überlieferter philosophischer Weisheit zu verbinden“. Eine nicht zu unterschätzende Transformationskraft in aktuellen politischen Fragen, der die Kustodie u. a. in einer regelmäßigen Lesegruppe und in Yoga-Sessions in der Ausstellung nachgeht.
Das kommende ART SCIENCE LAB IV widmet sich den Residenzkünstler*innen Dorota Gawęda und Eglė Kulbokaitė (Young Girl Reading Group) und findet am 12./14.09.2019 im Schimmel Projects – Art Centre Dresden statt. Darüber hinaus zeigt Alice Peragine ab dem 07.09.2019 eine von Sophie Goltz kuratierte Einzelausstellung im Dresdner Kunstverein in Kooperation mit dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden. Bis dahin dürften die noch laufende Ausstellung von Tabita Rezaire im Görges-Bau sowie die entspannten Yoga-Sessions und die lockeren Lesegruppen bei Laune – und Verstand halten.
»DEAR HUMANS, …«, konzipiert von Gwendolin Kremer und Konstanze Schütze, ist ein Projekt mit Forschungskooperationen der Kustodie der TU Dresden und Leitprojekt der Bewerbung Dresdens um den Titel Kulturhauptstadt Europas 2025. Gefördert wird das Projekt von der Ostsächsischen Sparkasse Dresden, dem Bereich Geistes- und Sozialwissenschaften der TU Dresden, dem Bureau des arts plastiques des Institut français und des französischen Ministeriums für Kultur. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit werden 2019/2020 kontinuierlich in weiteren ART SCIENCE LABs vorgestellt.
Informationen unter: https://tu-dresden.de/kustodie/artsciencelabs
Kristin Klein, Gwendolin Kremer, Konstanze Schütze